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Judith Benz-Schwarzburg

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Dr. Judith Benz-Schwarzburg

Ich bin zur Zeit Universitätsassistentin in der Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien.

Vor meiner Zeit in Wien habe ich an der Universität Tübingen im DFG Graduiertenkolleg "Bioethik" promoviert. Meine Dissertation wurde mit dem Promotionspreis 2012 der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen, sowie mit dem Deutschen Studienpreis 2013 (2. Platz, Sektion Geistes- und Kulturwissenschaften) ausgezeichnet.

Foto der Preisverleihung; Foto: D. Ausserhofer/Körber Stiftung
Foto: D. Ausserhofer/Körber Stiftung

Der Deutsche Studienpreis wird jährlich von der Körber Stiftung in Berlin verliehen. Die Dissertation ist im Harald Fischer Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich.


 


SKIZZE DES DISSERTATIONSPROJEKTES

Titel: Sozio-kognitive Fähigkeiten bei Tieren und ihre Relevanz für Tierethik und Tierschutz

 

Die Arbeit untersucht, inwiefern von komplexen sozio-kognitiven Fähigkeiten bei Tieren gesprochen werden kann und ob eine Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier im sozio-kognitiven Bereich ethisch relevant ist – sowohl, wenn es um den moralischen Status des Tieres im Verhältnis zum moralischen Status des Menschen geht als auch, wenn man sich unserem praktischen Umgang mit Tieren, etwa im Versuchslabor oder in der Zootierhaltung, zuwendet.
 

Zunächst werden exemplarisch drei zentrale Aspekte tierischer und menschlicher Intelligenz gemeinsam in den Blick genommen: Kultur, Sprache und das Vermögen, sich selbst und andere im Hinblick auf Meinungen und Wünsche einzuschätzen (Theory of Mind). Die Arbeit stützt sich auf eine breite empirische Grundlage. Besonders Ergebnisse aus der Kognitiven Ethologie und Komparativen Psychologie werden herangezogenen. Besonderer Wert wird auf aktuelle Studien – etwa zur Werkzeugherstellung und zum Werkzeuggebrauch bei Schimpansen, Orang-Utans, Delphinen und Geradschnabelkrähen oder zum Sprachverständnis von Graupapageien – gelegt.

Für jeden der drei Bereiche wird untersucht, ob sich empirisch fundiert von solchen Fähigkeiten bei Tieren sprechen lässt. Die (bestätigte) Ausgangshypothese  war, dass sich die empirischen Befunde angemessener interpretieren lassen, wenn man neue Konzepte vorschlägt, im Fall der Sprache beispielsweise eine veränderte Begriffstheorie, in welche die Art von Begriffen, über die Tiere verfügen, integrierbar ist.

Ergebnis des ersten Teils der Dissertation ist, dass exklusive und monolithische Definitionen kognitiver Kompetenzen, die zudem oft von vorne herein anthropozentrisch fokussiert sind, den in der Evolution graduell entstandenen bzw. in der Ontogenese graduell entstehenden sozio-kognitiven Fähigkeiten nicht gerecht werden. Genauso wenig sind sie angemessen, um dem graduellen Vorkommen dieser Fähigkeiten im gesamten Tierreich gerecht zu werden. Auch einige Tiere besitzen bereits zentrale Bausteine von Kultur, wichtige Aspekte von Sprachfähigkeit und eine einfache Theory of Mind. Wenn man einfache und weite Definitionen vorschlägt, die Kultur etwa als die soziale Weitergabe von Wissen beschreiben, Sprache nicht auf Grammatikverständnis einengen und Theory of Mind nicht auf ein Verständnis falscher Überzeugungen reduzieren, kann man das, was Tiere können und wissen, sinnvoll beschreiben. Graduelle im Gegensatz zu prinzipiellen Unterschieden zum Menschen bzw. zum Kind können dann betont werden.
 

Um die ethische Relevanz der Frage nach solchen sozio-kognitiven Fähigkeiten bei Tieren zu untersuchen, wendet sich die Arbeit im Anschluss tierethischen Fragestellungen zu: Zum einen wird untersucht, wie sozio-kognitive Fähigkeiten bei Tieren in moraltheoretische Überlegungen eingeflossen sind. Hier werden die Forderungen des Great Ape Projects und dessen Ruf nach personalen Rechten für Große Menschenaffen diskutiert sowie der Vorschlag Thomas I. Whites, diese auch auf Delphine auszudehnen. Probleme und Chancen solcher Forderungen werden sichtbar, während gleichzeitig die Relevanz kognitiver Fähigkeiten bei Tieren für unseren praktischen Umgang mit denselben deutlich wird.
Diese Relevanz zeigt sich besonders, wenn man die deutlichen tierethischen Forderungen nach stärkeren Schutzrechten für unsere „kognitiven Verwandten“ mit dem Status quo unseres Umgangs mit diesen Tieren kontrastiert. Die Arbeit arbeitet diese Diskrepanz heraus und betont neben der Bedeutung sozio-kognitiver Fähigkeiten von Tieren für die Tierrechtsdebatte auch deren Bedeutung für pathozentrische Überlegungen im Generellen. Besonders wenn es um die Idee einer artgerechten Tierhaltung geht, stellt sich die Frage, ob komplexe sozio-kognitive Fähigkeiten nicht komplexe psychische Bedürfnisse zur Folge haben (etwa das Bedürfnis nach explorativem Verhalten und sozialer Interaktion), die wir etwa im Zoo nicht erfüllen können. Hier wird Enrichment als ethische Notwendigkeit sichtbar, um nicht nur den physischen Bedürfnissen von Tieren, sondern auch ihren psychischen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Allerdings sind für manche Tiere „best welfare standards“ womöglich nicht genug, wenn es um ihren möglichen Status als nicht-menschliche Personen geht. Einige unveräußerliche Rechte (wie ein Recht auf Leben, auf Freiheit und darauf, nicht gefoltert zu werden) müssten spezies-spezifisch konzipiert und in ihrer Bedeutung für einzelne Arten weiter geprüft werden.